"Operation Provide Promise" - 62miles march DK
An der Westküste Dänemarks, Ende Februar 1993.
Eine kleine Gruppe von Soldaten der US Army und Air Force bewegen sich mühsam bei Tag und Nacht von Süden nach Norden, und das nun schon seit zwei Tagen auf freiwilliger Basis.
Vorneweg geht ein alter Däne von ca. 45 Jahren. Dieser ist ein Kontrast zu den ca. 25 Jahre alten Soldaten, die ihm folgen.Es fehlen noch 25 km bis zum Hotel (ein verlassener Bunker in den Dünen).
Inzwischen fällt ein leichter Nieselregen. Die Temperatur beträgt gerade mal 2°C. Seit 2 Tagen Nord-Nord-West-Wind. Der Wind ist perfekt, aber meiner Meinung nach, hat es zu spät angefangen zu regnen. Dieser Tatsache gebe ich gegenüber den Soldaten auch noch Ausdruck. Das ist wohl auch ein Grund, warum ich den Namen „Perverser Soldier Killer“ trage. Dabei bin ich gar nicht pervers, sondern lediglich ein bißchen lustig. Und das sind auch die Regeln bei diesem Marsch.
100 km psychologischer Marsch an der Westküste Dänemarks. Sand, Kieselsteine, 10-20 Meter hohe Sanddünen, Kompassrichtung von Süd nach Nord, 2 Tage ohne Nahrung, nur 1 Liter Wasser, zur Wahl stehen 20 Zigaretten oder 100g Schokolade, absolutes Redeverbot.
Wer spricht, fliegt sofort raus aus dem Training.
Wer rausfliegt, erhält von mir eine wasserdicht eingeschweißte Karte. Auf der Rückseite dieser Karte steht, daß der Besitzer jener Karte ein absoluter Schwächling und eine große 0 ist, daß er an einem kleinen Marsch am Strand teilgenommen hat und wegen seiner schwachen Psyche aufgeben mußte.
Jetzt müsse er per Anhalter versuchen das Hauptquartier wiederzufinden. Man möge diesem Mann/Frau bitte helfen.
Diese Sätze stehen aber alle in Dänisch auf der Karte. Und ich erkläre den Soldaten dies alles aber erst dann, wenn wir später wieder alle zusammen im HQ versammelt sind. Somit wird es für den, der ausgeschieden ist, dann noch mal peinlich. Pausen dauern von 2 Sekunden bis hin zu 6 Stunden.
Die letzten 5-15 km geht man ohne Pause mit Gasmaske durch das februarkalte Wasser der Nordsee.
Die Tatsache, daß ich während der ganzen Tour vorneweg gehe, macht das alles nicht pervers, sondern lustig. Es ist nur eine Frage der Kommandoführung. Und damit wäre dann alles geklärt.
Weil alles so lustig ist, habe ich bei der Ankunft im Hotel auch am meisten zu lachen gehabt, insbesondere beim Ausziehen der Stiefel. An beiden Fersen eine jeweils 5-Mark-Stück große Blase, welche aufgerieben waren. Man sah nur noch das rohe Fleisch in den offenen Wunden und an einem Zeh war der Fußnagel abgefallen.
Nachdem die Soldaten meine Füße gesehen hatten, waren sie sich sicher, daß die Tour zu Ende sei. „The old man give up.“ „Wie bitte?“, sagte ich „Die Tour ist erst dann zu Ende für jemanden, wenn er unten am Boden liegt. Und dann bekam ich die Strafe für meine große Klappe.
Ich fragte die Soldaten, ob einer von ihnen zufällig ein Desinfektionsmittel ohne Alkohol dabei habe.
„Yes, Sir.“, sagte ein Air Force Seargent und gab mir eine kleine durchsichtige Plastiklasche.
Sein Gesichtsausdruck gefiel mir nicht, als er mir die Flasche herüberreichte, deshalb wollte ich auf dem Etikett lesen, was die Flasche beinhaltete. Leider hatte ich meine Lesebrille nicht mitgenommen.
Ich beschloss innerlich, daß die Flasche keinen Alkohol beinhaltete. Schließlich ist das alles ja auch eine Frage der Kommandoführung.
Ich drehte die Verschlußkappe auf und nun grinsten alle Soldaten. Ich fragte sie, was sie so amüsieren würde. Die Anwort, die ich erhielt, hätte auch von mir kommen können. „Es ist eben alles so lustig, Sir.“
„O.K.“, antwortete ich und goß die Hälfte des Inhaltes direkt über das rohe Fleisch an meinem Fuß. Ich schrie natürlich, konnte mich aber besinnen und fing dann an zu lachen. Danach wiederhole ich die gleiche Prozedur an dem anderen Fuß.
Den abgefallenen Nagel klebe ich einfach mit Sekundenkleber wieder fest. Zunächst war der Schmerz höllisch, aber nach einer Stunde war alles wieder vorbei. Die beiden roten rohen Wunden an den Füßen verklebte ich mit Ducctape, sonst hätte ich keine Chance gehabt die letzten 50 km weiterzugehen. Zudem waren ja am nächsten Tag auch noch 15 km mit Gasmaske direkt durch das Wasser zu bewältigen. Danach die restlichen 35 km durch die Sanddünen.
Der Seargent sprach mich an und fragte, wie lange ich schon auf der Air Base sei. Ich erzählte ihm, daß ich seit Oktober 1976 dort sei, daß die Air Base praktisch mein zweites zu Hause wurde. Ich hatte dort viele Freunde gewonnen bei meiner Einheit. (Officer Service International) auch kurz O.S.I. genannt.
Er fragte mich, ob ich der sei, der immer für die Base in die Balkankriegsregionen fahren würde. Der mit dem tollen Camaro. Als ich das bestätigte, fragte er mich, ob ich nicht ein Interesse haben würde einen Vortrag in seiner Einheit zu halten.
Diese würde bald Hilfsgüter nach Bosnien fliegen und sein Chef würde gerne etwas über die Landschaft und die Bevölkerung erfahren. Außerdem wollten sie meine Fahrruten kennen, falls ein Flugzeug abgeschossen wird, und ich zufällig in der Nähe sei.
Ich nahm die Einladung an und wollte dann später nach der Tour in Frankfurt alles weitere besprechen.
Ich sagte ihm noch, daß er nicht glauben solle, daß das eben geführte Gespräch irgendeinen Einfluß auf die weiteren 50 km haben würde, es wäre nun nicht einfacher zu schaffen sein.
„Do you understand?“ „Yes, Sir!“
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